Hintergründe

Glasseelen
- Grundidee
- Unterwelten Berlin
- Mysterium Hoffmann

Der Rebell
- Zwei Wiesbadener Verbrechen
- Markgraf-Haus
- Mysterium Mord


 

 

Der Rebell - Markgraf-Haus

Das Haus an der Ecke zur Oranienstraße ist einer jener alten Klinkerbauten aus der Jahrhundertwende, die bedrohlich auf die Stadt hinab blicken. In seinen Mauern hat sich über hundert Jahre etwas Finsteres eingenistet.
Der Eingang der Buchhandlung Markgraf lieht direkt an der Ecke, einige Stufen über dem Straßennivea. Der Stein ist ausgetreten und der dunkelgrüne Lack des rostigen Geländers und der Eingangstür blättert ab. Pockennarbig wirken Holz und Metall.
Die beiden Rundbogenfenster der Auslage sind verstaubt, die Bücher darin aber in bestem Zustand. Sie liegen auf verblichenem Samt.
Im Laden ist die Verkleidung aus grau versteinertem Holz, sonnenzertochen, wie auch der Samt. Regale erheben sich an den Wänden und im Raum, geben schattige Schluchten, in denen die die Finsternis in wirbelnder Bewegung zu sein scheint.
Der Tresen liegt um drei Stuffen erhöht. Man sieht noch deutlich, dass er eigentlich nicht für eine Buchhandlung gefertigt wurde - viel eher für eine Metzgerei aus der Jahrhundertwende. In der dicken Holzplatte befinden sich noch immer tiefe Hackspuren von Handbeilen, mit denen die Verkäuferin damals Rippchen nach Wunsch zerteilte ...
Dahinter schiließt sich linkerhand ein altes Büro an. Der Raum ist hoch, viel zu hoch, aber verwinkelt und klein. Zwei schmale Milchglasfenster weisen auf einen winzigen, modrigen, immer kalten Innenhof hinaus, in dem selbst das Moos nur eine schwarze Schmierschicht auf den gesprungenen Platten bildet.
Ein Gasofen steht unter einem Fenster, der Schreibtisch beherrscht den Raum. Darauf stapeln sich Kataloge und Ordner, Papierkram - die Bürokratie der Hölle.
Ein alter, grauer Monitor schaut daraus hervor. Gelbe Klebezettel verunstalten den Rahmen. In zittrig kantiger altmännerschrift stehen Notizen und Erinnerungsstützen darauf.
Alles ist alt, selbst der P166, der auf dem Boden steht. Die Tischplatte
ist klebrig, aber nicht verstaubt, die Tatsatur gelblich verschmutzt. In der Luft hängt der Geruch nach trockenem Papier, Staub, Tee und Medikamenten. Ein Unverkennbarer Hauch des Verfalls an Mensch und Haus hat sich eingenistet.
Deutlich zu erkennen, ncht verbaut von Bücherkisten, zeichnet sich die moderne Stahltür in das Arcchiv ab. Weshalb Walter sieben Schlösser benötigt? Wer weiß ... die Tür ist nicht zu öffnen ... noch nicht.

Verlässt man die Buchhandlung durch den schmalen Fluf, der rechts hinter dem Tresen zum Treppenhaus führt, kommt man in einer seltsam zwielichtigen Zone heraus. Der Mosaikboden ist an einigen Stellen gerissen, das Muster fast nicht mehr zu erkennen. Rohre und tickende Zähler irritieren in den schattigen Alkoven. Schummriges Flurlichtist nicht in der Lage, alles auszuleuchten, schon gar nicht die drei Stufen zu Hinterhof und Keller.
Der Keller ist ein kalt-feuchtes Labyrinth von Hauptgang und Abzweigungen, unausgefüllten Alkoven und Druchbrüchen. Im Hintergrund hört man das Rauschen des Wassers in der Kanalisation, das Beben wenn ein Bus vobei fährt, setzt sich bis in die Wände fort. Rostige Eisen- und Stahlkonstruktionen halten die Gewölbedecke, die Flachdecken und die Tonnengewölbe.
Der Hauch von Verwesung hängt mit feinen Wassertröpfchen und dem Geruch nach Brennöl in der Luft. An einer Stelle flattert das Absperrband der Spurensicherung ...

Steigt man über die rotigen Stufen hinauf, durch das Treppenhaus bis unter das Dach, so sieht man prachtvolle Türen, die der Zeit zum Opfer gefallen sind. Holzrahmen halten die darbigenGalsscheiben, Butzen und Rauten, gemusterte Prägungen, gefräste Quadrate.
Ganz oben, über allem, drohnt die Wohnung Walters. Links befindet sich in einem unbeleucheten Eck die ehemalige Außentoilette, das Emalliewaschbecken ist in einem Alkoven angebracht. Die versinterte Leitung funktioniert sogar noch, wenn man in der Lage ist, den Wasserhahn aufzudrehen.
Mittig - beinah gegenüber der Treppe, wendeln sich hölzerne Stufen auf den Boden.
Hier starb vor Jahren ein Kind - ungeboren im Leib der Mutter ...
Manchmal sammeln sich besonders dort die Schatten und gewinnen an Stofflichkeit. Es ist das Epizentrum, diese eine, immer kalte Stelle ...

Die Wohnung, ein trostloser Ort, der kindern nicht gefällt. Seit mindestens vierzig Jahren wurde hier nichts Neues mehr angeschafft. Ein paar Räume sind ordentlich, aufgeräumt, ungenutzt. Staub liegt auf den Schränken und überzieht die Türen und das Glas.
Das Leben - wenn es denn etwas in der Art an diesem Ort gibt - findet ausschließlich in der Küche statt.
Rechts der Küche gibt es einen weiteren Bodenaufgang. Er fuhrt in einen separierten Bereich des Dachstuhls. Licht gibt es nicht. Man muss Taschenlampe oder Grubenkeuchte benutzen. Das, was man jenseits der Verschlagtüren sehen kann, ist ein alter Trockenboden, der seit rund sechzig Jahren nicht mehr genutzt worden ist - oder länger - seit dem Tod des ungeborenen Kindes?
Eine eiserne Tür fuhrt auf eine vor Jahrzehnten angelegte Dachterrasse - nein, nichts schönes. Hier befinden sich Taubenschlag und Hasenställe. Sie sind verweist. Lediglich die Spuren des getrockneten Blutes sprechen ihre eigene Sprache ...