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Kapitel 1: Erinnerungen ================================================================================ „Ich,
Megumi Hiro, die 7. Seherin...“ ihre Stimme versagte ihr den Dienst und
sie senkte den Blick ihrer bernsteinfarbenen Augen. Mit einigem Schrecken
bemerkte sie, daß ihr das Blut in die Wangen schoß und ihre Haut zum glühen
brachte. Ihre Knie zitterten vor Angst und in ihrem Schädel pochte ein beißender
Schmerz... Die Gedanken der Alten drangen in sie... Sie kannte das und haßte
es, ihr Sein vor diesen greisen Geistern ausbreiten zu müssen. Fremde
Stimmen und Gedanken erfüllten sie, machten sie zu einem Gefäß... Ihre Knie
zitterten und die Welt begann unter ihr zu wanken. „Ich
bin Setsuna Hiro, der 7. Hüter der Vergangenheit, die 109. Generation des
Hiro- Clans.“ Setsunas
Stimme klang so ruhig und selbstsicher, daß Megumis Angst nachließ. Sie wußte,
daß Setsuna nie Angst hatte, nie zeigen würde. Einer mußte ja da sein, um
sie zu beschützen. Sie schloß
die Augen und ließ sich fallen, ihren Geist frei treiben... Tatsächlich hörte
dieser pochende Schmerz in ihren Schläfen auf. Dennoch war es unangenehm
2000 Jahre alte Geister in ihre Seele blicken zu lassen. Plötzlich fühlte
sie Setsunas Hand auf ihrer Schulter, die ungewöhnlich schwer und fest zudrückte...
Als sie die Lider öffnete und sich umsah, war Setsunas Gesicht von Scherzen
verzerrt. Zitternd stand Megumis Zwilling hinter ihr. Schweiß perlte auf
der hohen Stirn und in den hell blauen Augen lag so viel Schmerz und Lied
und Qual. Dennoch kam kein Laut über Setsunas Lippen. Aber das Hüftlange,
dichte, schwarze Haar hatte jede Farbe verloren. Die Geister bestraften
Setsuna. Megumi versiegelte ihren Geist und umarmte ihren Zwilling fest,
hielt Setsuna. „Verschließe
deinen Geist!“ flüsterte sie. „Ich...
kann nicht.“ Setsunas Stimme klang leise, gepreßt. Megumi schloß die
Augen und legte den Kopf in den Nacken. „Hört auf!“ ihre Stimme hallte
von den Wänden des Schreins wieder und brach sich in der Kuppel, hoch über
ihren Köpfen. „Hört
auf!!!!“ Megumi
fuhr aus ihren Kissen hoch, weinend... Dunkelheit umgab sie, erdrückende
Stille, und diese unangenehm feuchte Wärme... Einzig Setsunas unruhiges,
leises Atmen konnte sie hören. Und, in einiger Entfernung das vereinzelte,
leise Rauschen, wenn ein Auto über die Autobahn rollte. Sie
drehte sich halb in dem engen Bett um und sah zu dem Radiowecker, der auf
ihrem Schreibtisch stand. Die roten Leuchtziffern sagten ihr, daß es
definitiv zu früh zum aufwachen war und dieser Alptraum an sich bereits an
vorsätzliche Körperverletzung grenzte. Viertel
nach drei in der Nacht! Sie schob
behutsam die Decke von sich und sah an sich herab. Ihr Nachthemd klebte an
ihrem Körper. Sehr lang schon hatte sie keinen Alptraum mehr gehabt, der
ihr solch einen Schrecken eingejagt hatte, so daß sie Schweiß naß
erwachte. Ihre
Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit. Neben ihr lag Setsuna,
zusammen gekrümmt wie ein Fötus, die Decke halb über sich gezogen. Langsam
erinnerte sie sich wieder. Sie hatte schon am Abend große Angst gehabt,
ohne einen besonderen Grund dafür erkennen zu können, also war sie von
Anfang an zu Setsuna ins Bett gekrochen. In Setsunas Nähe nur war Megumi
wirklich glücklich und sicher. Wahrscheinlich der Grund, aus dem sie in
diesem Kinderheim ein Zimmer teilten und beide nicht vermittelt werden
konnten. Aber sie liebte Setsuna, mehr als alles auf der Welt und außerdem
waren sie ja auch Zwillinge! Megumi
stand auf und ging zu dem Waschbecken in ihrer beider Zimmer, um sich den
Schweiß abzuwaschen. Der PVC unter ihren Füßen war kalt, im Gegensatz zu
der verbrauchten, feucht- warmen Luft in dem Zimmer. Auf Zehenspitzen hüpfte
sie zum Waschbecken und zog sich das feuchte Nachthemd über den Kopf. Nun
fror sie. Sie drehte den Wasserhahn auf und wartete, bis das Wasser nicht
mehr kalt war. Gründlich wusch sie sich Erst danach nahm sie sich ein
sauberes T- Shirt und kroch zurück unter die warme Decke zu Setsuna. Was
Megumi ein wenig wunderte, daß Setsuna noch nicht aufgewacht war. Sonst war
der Schlaf ihres Zwillings nicht besonders fest oder gar wirklich tief. Aber
Setsuna lag noch immer da, unter der Decke versteckt und in unruhigem
Schlaf. Megumi schob die Decke etwas herab. Setsuna stöhnte leise und regte
sich in ihrer unbequemen Position. Das schwarze Haar, stellte Megumi
erschrocken fest, war weiß, genau wie in ihrem Traum. Setsunas langen,
schwarzen Haaren fehlte jede Farbe. Sie waren weiß geworden. Weiß, wie
frisch gefallener Schnee. Außerdem
war Setsunas Gesicht Tränen naß. Noch nie zuvor hatte Megumi Setsuna in
solch einem Zustand gesehen. Setsuna, der Starke, der Unerschütterliche... Dann öffneten
sich Setsunas Augen. „Megumi...“
wisperte Setsuna und wischte sich mit dem Handrücken über die Augenlider.
„Es tut weh... was ist das?!“ Wortlos
starrte Megumi in Setsunas rot geränderte Augen. „Megumi...“ Setsuna
stemmte sich auf die Hände hoch. Das lange Haar fiel ihm über die
Schultern, doch scheinbar bemerkte er nicht, daß es weiß war. Wie konnte
das sein?! Megumi richtete sich auf und zog die Beine an den Leib. Setsuna,
der auf dem Bauch lag, stemmte sich ganz hoch. „Megumi, was ist? War das
ein Traum?“ Für eine
Sekunde wußte Megumi nicht, was sie antworten sollte. Setsuna konnte doch
nicht den gleichen Traum gehabt haben? Aber, warum hatte er plötzlich weißes
Haar, wie auch Der Setsuna in ihrem Traum... „Hüter
der Vergangenheit,“ flüsterte sie und streckte gleichzeitig ihre Finger
nach seinem Haar aus, führte die Bewegung aber nicht zu ende, als sie
merkte, wie er zusammenzuckte. Ganz automatisch sah er an sich herab... und
bemerkte die weißen Strähnen, die wie Silberfäden über seinem schwarzen
T- Shirt hingen. Sein Blick blieb einen endlosen, schrecklichen Moment an
seinem Haar hängen, bevor sein Blick sich in Megumis bohrte. Wortlos
stand er auf und ging zum Schreibtisch, nahm seine Papierschere aus seinem
Leder- Mäppchen und ging zum Spiegel. „Was
machst du?“ fragte Megumi alarmiert. Setsuna
antwortete ihr nicht. Entschlossen schnitt er sich die erste Strähne ab.
Megumi fuhr aus den Kissen und war bei ihm, bevor er noch eine weitere Strähne
abschneiden konnte, fiel ihm in den Arm. „Nicht
Setsuna!“ Er
ignorierte sie und schnitt eine weitere Strähne ab. Für
einen Moment kam sich Megumi verloren vor, verraten, als wolle sich Setsuna
nun mit aller Gewalt von ihr unterscheiden, mehr denn je zuvor ein
Individuum sein, mehr, als nur ihr Clon. Mit einigem Schrecken realisierte
sie, in welcher Richtung sich dieser Gedankengang entwickelte. Sie spürte,
wie Besitzergreifend das war... Instinktiv machte sie einen Schritt zurück
und wendete sich ab. Sie hatte nicht das Recht, sich so an Setsuna zu
klammern... Betroffen ging sie zu ihrem Bett und setzte mit
untergeschlagenen Beinen auf die Decke und starrte vor sich hin. Zwischen
Gedanken, Gefühlen und Fetzen ihres Traumes begann ihr Geist umherzuirren,
auf der Suche nach einem Punkt, an dem er sich ausruhen, halt finden
konnte... Sie wußte
nicht, wie lange sie so dagesessen hatte, aber irgendwann fühlte sie
Setsunas Hand auf ihrer Schulter. Er hatte sich hinter sie auf das Bett
gesetzt und zog sie mit sanfter Gewalt in seine Arme. „Was fürchtest
du, Megumi?“ „Was
war das für ein Traum?“ fragte sie, als habe sie seine Frage nicht gehört.
„War es ein Traum? Versucht sich in uns etwas zu erinnern, was vor der
Zeit hier im Heim war?“ Setsuna
schlang beide Arme um seine Schwester und drücke sie fest an sich. „Das
ist elf Jahre her. Wir waren Kleinkinder, als wir herkamen. Ich glaube
nicht, daß es viel Erinnernswertes gibt, wenn man vier ist.“ „Aber
dein Haar...!“ Sie entwand sich Setsunas Umarmung und drehte sich zu ihm
um... Er sah so anders aus, dachte sie beiläufig, so fremd, aber auch
zugleich noch zerbrechlicher als je zuvor. „Wie kann das passieren? Du
siehst aus, wie in meinem Traum!“ Setsuna
antwortete nicht gleich. Er strich sich eine der kurz geschnittenen Strähnen
aus der Stirn und schüttelte den Kopf. „Laß uns morgen, in Ruhe eine Lösung
für das Problem finden, okay?“ Megumi
warf ihm einen Blick zu, der die Hölle hätte gefrieren lassen können.
„Du willst mir jetzt nicht erzählen, daß du wieder schlafen gehen möchtest?!“ Er nickte
ernsthaft. „Logisch. Morgen Früh sieht alles sicher etwas weniger schlimm
aus. Vielleicht hat ja der Traum eine Lösung, oder eine Fortsetzung.
Vielleicht finden wir auf dem Weg eine Lösung...“ Er lächelte, stand auf
und zog sie vom Bett hoch. „Komm schon. Ich habe ehrlich keine Lust jetzt
die Nacht über einem Problem zu brüten, für das ich echt zu müde bin.“ „Setsuna,
wie willst du morgen deine Haare erklären?“ Sie streckte ihre Hand nach
seinem kurzen, ins Gesicht gekämmten Haaren aus und fuhr vorsichtig
hindurch, als könne sie sich a daran
verbrennen. Er ergriff ihr Handgelenk und zog sie wieder zu sich. „Hübsch,
nicht?“ fragte er spöttisch in ihr Ohr. „Idiot!“
sagte sie leise. Zugleich spürte sie, wie seine Finger ihre Haare durchkämmten.
„Ich muß mich doch auch erst daran gewöhnen. Aber, kannst du dir
vorstellen, wie das aussähe, immer mit diesen weißen, langen Haaren
rumzulaufen?“ „Wir hätten
sie färben können.“ Er schob
Megumi auf Armeslänge von sich und zog eine Grimasse. Willst du jetzt die
restliche Nacht mit mir darüber diskutieren?“ Niedergeschlagen
sah Megumi zu Boden. „Nein, aber...“ Setsuna
schob seine Schwester zu seinem Bett hinüber und schubste sie wieder in die
Kissen. Mit Schwung sprang er über sie hinweg und ließ sich neben ihr
fallen. Bevor Megumi sich wieder aufsetzen konnte, Umklammerte er sie und
schmiegte sich vertraut an ihre Schulter. Megumi seufzte und schüttelte den
Kopf. „Du bist echt mies!“ Setsuna
richtete sich wortlos auf und zog seine Decke über seine Schwester und
sich. In den Armen ihres Bruders fühlte sie sich sicher. Nach einer Weile schlief sie wieder ein. Diesmal tief und Traumlos.
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(c) Tanja Meurer, 2000 |